Produktion 1995

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s' Fäschtkomitee



Plakat: Istvan Vitzner
Autor: Alan Ayckbourn (Originaltitel: Ten Times Table)
Regie: Christian Kraut
Premiere: Freitag, 3. März 1995

Es ist kalt im Gemeindesaal, als sich ein Grüppchen engagierter EinwohnerInnen von Tössfelden zum ersten Mal trifft, um die Idee eines Festspiels zu diskutieren. Der kulturbeflissene Apotheker mit rechthaberischer Gattin, der unbeholfene Gemeinderat samt vergreister Mutter, der links-grüne Primarlehrer, die naive Schwester eines Hundezüchters und ein Bauunternehmer mit Ehekrise formieren sich selbigen Abends zum vorerst einträchtigen Festkomitee. Doch was soll eigentlich gefeiert werden? Der Apotheker - und jetzt gewählter Vorsitzende des Gremiums - ist auf ein historisch belegtes, aber praktisch unbekanntes "Helden-Duo" gestossen, das im 14. Jahrhundert im heimischen Tösstal mit Wort und Tat das Volk gegen die herrschenden Habsburger angeführt haben soll. Der Erfolg - die erstrebte Befreiung vom Joch der Österreicher - blieb wohl aus und die beiden tapferen Männer starben durch Habsburgerhand, doch gerade daraus liesse sich trefflich ein Festspiel mit Umzug und Musik gestalten, das weit über die Gemeinde hinaus Bedeutung erlangen könnte.
Gesagt, getan. Man trifft sich in den folgenden Monaten zu verschiedenen Sitzungen, um den Ablauf des einmaligen Ereignisses festzulegen, die Arbeiten zu verteilen, Geld zu beschaffen und weitere Freiwillige zu rekrutieren. Doch schon bald spaltet sich das Komitee in zwei erbitterte Lager. Was von den einen als gelungene Festivität mit Bratwurst und Chilbi geplant war, soll von den anderen zu politischen Zwecken missbraucht werden. Statt in einen historischen Festumzug drohen die gemeinsamen Anstrengungen in einem peinlichen Scharmützel zu enden.

Welche Gemeinde hat nicht schon mit dem Gedanken gespielt, die eigene Geschichte nach brauchbaren Ereignissen für ein Festspiel zu durchforsten. 700 Jahre seit der ersten Namensnennung, 100 Jahre Turnverein, Jubiläumsveranstaltungen von Schützenverein und Jagdgesellschaft, Männerchor und Laienbühne. Selbsternannte Historiker finden denn auch immer wieder längst verschollene "Helden" und Begebenheiten, die sich zu einem erbaulichen Schauspiel verarbeiten lassen. (Gut, wenn sich nicht später herausstellt, dass damals eigentlich alles ganz anders war und man die Geschichte besser hätte ruhen lassen.) Die Organisation eines solchen Festspiels bringt immer die unterschiedlichsten Menschen zusammen. Und natürlich lassen die ihre persönlichen Ansichten, ihre Lebensanschauungen und privaten Probleme nicht vor der Türe des Sitzungszimmers. Da wird diskutiert, lamentiert, intrigiert und ignoriert was das Zeug hält. Bündnisse werden geschlossen, Entscheidungen verhindert oder erzwungen, kurz: es wird gestritten, dass es eine Freude ist.

Diese Form von Gedankenaustausch findet man selbstredend nicht nur in Helvetien. Auch in Britannien scheint sie bekannt zu sein, denn der Engländer Alan Ayckbourn - gefeierter Autor, Regisseur und Theaterdirektor - hat diese Schwäche seiner Landsleute im Stück Ten Times Table augenzwinkernd aber gnadenlos verarbeitet. Christian Kraut, der Regisseur unserer Inszenierung, hatte die existierende deutsche Übersetzung aktualisiert und auf schweizerische Verhältnisse zugeschnitten. Das erklärt auch, warum erstmals seit einigen Jahren eine Dialektfassung aufgeführt wurde. s' Fäschtkomitee war eine Komödie über ein Thema, dass wohl viele ZuschauerInnen aus eigener Erfahrung kannten. Wer über sich selber ebenso lachen konnte wie über andere, würde auch hier nicht zu kurz kommen. Und wer noch keine Erfahrungen in einem wie auch immer gearteten Komitee sammeln konnte, durfte bei uns erste und bleibende Eindrücke mit nach Hause nehmen.




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